Pixelschubser und Rezepte zur Kunst?
Neulich wurde ich mal gefragt, ob ich meinen Berufsstand als »künstlerisch« ansehe. Nun ja, gar nicht mal so leicht zu beantworten. Natürlich gibt es kunstwissenschaftliche Beschreibungsmethoden von dem was man als »künstlerisch« bewertet, diese sind aber nicht unbedingt ein ideales Rezept.
Eines dieser Rezepte zum Beispiel besagt, dass Kunst dann entsteht wenn verschiedene Faktoren zusammentreffen. Wenn kulturelle und geisteswissenschaftliche Leitideen, Werte und Normen, soziale und politische Verhältnisse, die allgemeine Position des Künstlers zu Umwelt und Gesellschaft, seine biografischen und situativen Faktoren, der formale und inhaltliche Aspekt des Werkes, die Art und Begleitumstände der Präsentation, sowie die allgemeine Position des Betrachters eines Werkes und seine persönlichen Leitideen und Normen zusammenspielen.*
(*Absatz enthält Auszüge aus Lehrmaterial zum Kunstunterricht meiner Schulzeit.)
Kurz gesagt könnte man behaupten, dass ein Werk für die Allgemeinheit automatisch zu Kunst wird, wenn es von einem Teil der Allgemeinheit zu einem künstlerischem Werk erhoben wird.
Doch Kunst ist weit aus mehr. Kunst kann auch nach Regeln funktionieren, somit ein weiteres Rezept. Damit sind rein technische Regeln gemeint, z.B. wie mit kleinen, kurzen Strichen zu malen wie es van Gogh mit seinen Sonnenblumen getan hat. Oder nur mit abstrakten, geometrischen Formen zu arbeiten wie es z.B. Piet Mondrian getan hat.
Doch wenn klare Regeln ein Werk zu Kunst werden lassen dann kann doch alles was Regeln unterliegt schon Kunst sein?
Nehmen wir beispielsweise ein Fussballspiel, eine Veranstaltung welche die Massen anzieht und nach klaren Regeln funktioniert: Die Pille ist rund, es gibt zwei Mannschaften mit jeweils elf Spielern und jede Mannschaft besitzt ein Tor und muss versuchen den Ball in das gegnerische Tor zu befördern. In diesem Fall werden sogar beide, bereits beschriebenen Rezepte vereint. Und eine gewisse Ästhetik kann man einem Fussballspiel nicht abstreiten, da wird mir jeder hartgesottene Fussballfan sicher zustimmen. Somit kann man ein Fussballspiel als künstlerische Massenveranstaltung ansehen. Das ist aber nur ein Beispiel, ich selbst bin nicht mal ein Fan dieses Sports und verfolge höchstens mal einige Länderspiele.
Kunst hat sich im Laufe der Zeit gewandelt, ist teils zu einem Massenmedium geworden, so wie es Walter Benjamin in seinem 1936 erschienenem Werk voraussagte und damit die damals entstehenden Medien zu recht kritisierte.
Die ganzen Rezepte (es gibt noch weitaus mehr) brechen spätestens dann in sich zusammen, wenn die Gesellschaft von reproduzierter Kunst nur so überhäuft wird, durch die Medien, allen voran die Werbung. Wir sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr und haben uns unserer eigenen Kunst beraubt indem wir nicht mehr sensibel für Empfindungen und Reize werden. Wir laufen Gefahr durch immer mehr Medien- und Werbebeschallung nach und nach abzustumpfen.
Nun, an diesem negativem Prozess ist mein Berufsstand beteiligt. Und da hilft es nichts, wenn ich persönlich eher davon überzeugt bin, dass mein Beruf im Grunde so etwas wie ein Handwerk ist. Denn es gehört meines Erachtens nicht nur Begabung sondern auch eine gehörige Portion handwerkliches Geschick dazu, und ein gut ausgeführtes Handwerk kann bekanntermaßen auch Kunst sein.
Ich lasse diese Frage, gerade wegen all den Kontroversen und dem Diskussionspotential, also erst einmal bewusst offen.
doubl - 24. Sep, 17:19 - eingesponnen in Gestaltung
0 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks