Vor langer Zeit, auf der Schule, habe ich bei der Schülerzeitung mitgearbeitet. Sie wurde damals gerade neu gegründet, und ich hatte somit das Glück von Anfang an dabei sein zu dürfen. Der Weg meines heutigen Berufes zeichnete sich damals schon ab: Ich kümmerte mich um Anzeigen, durfte einige gestalten.
Für mich war dies der Hauptgrund, um mich überhaupt um die Anzeigen zu kümmern. Und nebenbei bot es sich an, sich auch entsprechend um Anzeigenaquise und um die Anzeigenkunden zu kümmern. Ich bin aber, zum Glück, kein Kontakter, sondern Pixelschubser geworden. ;)
Darüber hinaus schrieb ich auch hin und wieder auch mal einen Artikel. An einen erinnere ich mich noch sehr genau. Es ging um das Thema Drogen. Aber nicht um Zigaretten, Alkohol oder Hasch bei Jugendlichen, sondern um Drogen allgemein.
Damals gab es an unserer Schule einen lustigen Sport. Ein nicht weit gelegener Supermarkt, genannt ›die Pro‹ (also ein Pro-Markt) wurde regelmäßig in den Pausen von Schülern frequentiert. Ich selbst gehörte auch dazu. Bei Einkäufen blieb es nicht allein, wir haben da auch geklaut, und zwar wie die Raben! Unser Traum war es (der Supermarkt lag direkt an der Kreuzung einer zweispurigen Straße), dass eines Tages mal einer der vielen vorbei donnernden LKWs in diesen Supermarkt hinein krachen würde, und wir Schüler dann ohne Rücksicht und mit Gebrüll die Trümmer erstürmen würden, um alle Süßigkeiten zu plündern die uns in die Finger kämen.
Nicht allein wegen unseres diebischen Verhaltens (erwischt wurde allerdings kaum mal einer), sondern auch aus »versicherungstechnischen Gründen«, war es natürlich strengstens untersagt in den Pausen das Schulgelände zu verlassen und den Supermarkt zu besuchen. Nur den Volljährigen, aus der Oberstufe, war dies erlaubt (sie handelten dann auf eigenes Risiko). Ab dem erreichen der Oberstufe verschwand dann auch nach und nach das spackige ›Klauverhalten‹ und man bezahlte dort brav für sein Junk-Food. Geklaut wurde natürlich nach wie vor (dann von jüngeren) und den Wunschgedanken mit der LKW-Havarie hegten wir insgeheim alle immer noch.
Ich griff dieses Thema, die Besuche ›der Pro‹ in meinem Schülerzeitungsartikel auf, erkannte dass dies im Grunde auch nur so etwas wie eine Sucht war. Drogen waren für mich nicht allein verbotene, oder gefährliche Substanzen, sondern auch alltägliche Dinge, Süßigkeiten, der Reiz an dem Verbotenem, die ersten sexuellen Erfahrungen, ja das ganze Leben konnte eine Droge sein. Ich versuchte ein Bewusstsein für diese Art des Schülerlebens zu schaffen, und vielleicht sogar den Leser dazu zu bringen über sein eigenes ›Suchtverhalten‹ über seinen ›Drogenkonsum‹ nach zu denken.
Im Nachhinein betrachtet war dies sogar in so fern ein sehr interessanter Artikel, da er im Kontext zur Tatsache stand, dass ich für die Anzeigen in der Schülerzeitung zuständig war. Sozusagen für den Konsum, für die ›Droge‹ Leben warb und gleichzeitig aber einen Artikel schrieb der vor übermäßigem Konsum, vor dem Suchtpotential warnte. Es schaffte somit einen kleinen Ausgleich (›die Pro‹ war zum Glück kein Anzeigenkunde ;)), Inhalt des Artikels und Werbung waren für mich klar getrennt.
Die Welt hat sich seit dem natürlich weiter gedreht, an den Menschen hat sich nicht viel geändert. Drogen und Sucht gibt es nach wie vor überall, hat es schon immer gegeben und wird es sicher auch immer geben. (Es sei denn wir sorgen dafür wieder zu dem zu werden was wir schon immer waren, pusten uns mit einem lautem Knall zurück ins All, werden wieder zu Sternenstaub.)
Heute glaube ich dass dieses Problem der Sucht und Drogen seinen Ursprung findet in der Gier. Der Gier des Menschen. Nicht allein so sehr in dem Sinne wie dieses Wort eben negativ behaftet ist: Manchmal glaube ich die Gier allein ist beim Menschen irgendwie veranlagt, gehört zu seiner Natur. Ist die Gier nach Lebenswillen so etwas wie seinen Natur, der Wille zu Leben, die Sucht nach Leben? Damit will ich die Gier allerdings nicht entschuldigen, auf gar keinen Fall! Ich möchte sie aber verstehen, die Gier nach Leben, die Gier nach allem.
Der Mensch scheint nie zufrieden mit dem was er hat. Im echten Leben erfreut er sich an ›virtuellen Spielen‹ wie SecondLife, wünscht sich jemand anderes zu sein und findet so eine Plattform wo er dies in vielen Facetten ausleben kann. Befände sich der Mensch allerdings wirklich in so einer, eigentlich doch sehr begrenzten virtuellen Welt, in einem Gefängnis, so würde er alles dafür geben die Realität kennen zu lernen und lieber in dieser Leben. Zumindest suggeriert dies
die Filmreihe Matrix. (BTW: Einen sehr interessanten
Beitrag zum Thema SecondLife und die Unterscheidung zwischen Phänomen und Hype, findet man bei ms.) Allerdings darf man dabei nicht vergessen,
wie ms darauf hin wies, dass SecondLife im Grunde nur eine Ergänzung zum realem Leben ist. Eine Erweiterung.
Aber der Mensch ist gierig, und dies schafft Süchte und Probleme. Kids können ihre Kohle für Klingeltöne, oder für World of Warcraft aus dem Fenster werfen, Menschen können sich von ihrer Umwelt abschotten und ganz in virtuellen Welten versinken, Vorstände können Kohle auf dem Rücken der Arbeitenden scheffeln und danach Tausende entlassen, Junkies können sich den ›
Goldenen Schuss‹ setzen …
Was ist es was diese Gier antreibt? Ist sie geistig, seelisch oder genetisch bedingt? Ist es alles zusammen, ist es das Leben an sich? Ist die Gier vielleicht sogar im Grunde das was das Leben antreibt? Kann diese Gier unterdrückt, abgeschwächt oder verändert werden? Schützt den Menschen nicht allein die Moral davor zu gierig zu werden, bei manchen mehr, bei manchen weniger? Was macht die Gier aus, was ist ihr Ursprung?
BTW: Unser Wunschtraum wurde übringens irgend wann ein mal (fast) wahr. Nachdem ich die Schule schon längst verlassen hatte, knallte ein LKW in diesen Pro-Makt. Allerdings, zum Glück, an einem Wochenende, so das nur der Fahrer zu Schaden kam und nicht gleich eine ganze Horde klauender Schüler mit ihm. Den Supermarkt gibt es an der Stelle nicht mehr, man hat danach das Haus komplett umgebaut.